Von Badestuben und Flussbädern
Es mag zunächst überraschen, aber im mittelalterlichen Europa kam dem Baden eine überaus große Bedeutung zu. Badege- und verbote belegen, wie häufig und exzessiv die Badekultur betrieben wurde. Für das 13. Jahrhundert können in Augsburg bereits vier öffentliche Badeanstalten, zeitgenössisch „Badstuben“ genannt, nachgewiesen werden. Im 15. Jahrhundert hatte sich die Anzahl der Badstuben bereits mehr als vervierfacht.
Die frühen Badeanstalten lagen stets an fließenden Gewässern. Das Badewasser wurde über Wasserräder in die zumeist gemauerten Bassins für rund 10 Personen – selbstverständlich nach Geschlechtern getrennt – geleitet. Kleinere Zuber aus Holz oder Metall setzten sich im Laufe des 15. Jahrhunderts durch.
Neben dem „Badgießen“ boten Bader auch andere medizinisch-prophylaktische Dienste wie Massagen, Schröpfen und Aderlasse an. Der Besuch eines Bades diente jedoch nicht nur der Reinlichkeit und Gesundheit, sondern galt auch als Moment gesellschaftlichen Lebens. Nicht selten trieb man es dabei so bunt, dass die Obrigkeit durch Badeordnungen regulierend eingriff. In Augsburg wurde beispielsweise das Singen in Bädern 1549 ausdrücklich verboten. Obwohl Männer und Frauen getrennt badeten, standen Badestuben immer auch in dem Verdacht, unsittliches Verhalten zu fördern, zumindest aber zu dulden. Die Strafbücher der Stadt Augsburg aus dem 15. und 16. Jahrhundert belegen zahlreiche Fälle, in denen Bademägde wegen Unzucht aus der Stadt verwiesen wurden.
Zu Beginn der Frühen Neuzeit führten verschiedene Faktoren zu einem Niedergang der öffentlichen Badekultur. Die Gefahr der Ansteckung mit der damals epidemisch grassierenden und als unheilbar geltenden Geschlechtskrankheit Syphilis machte das gemeinsame Baden zu einem Gesundheitsrisiko. Gleichzeitig geriet das Baden überhaupt in Verruf. Nach Ansicht vieler Ärzte galt es als überflüssig, ja sogar schädlich. Man vermutete, dass beim Baden Wasser durch die Haut dringen, Krankheitserreger einspülen und die Körpersäfte aus dem Gleichgewicht bringen würde, was ebenfalls Krankheiten Vorschub leisten könnte.
Auch die Wirren und Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges führten zur Stilllegung weiterer Betriebe. Der allgemeine Anstieg der Preise machte das Brennholz zum Erwärmen des Badewassers teuer und so den Besuch einer Badestube zu einem kostspieligen Luxus.
Parallel zu den komfortablen Badestuben badeten die Augsburger bereits seit dem Mittelalter in den Flüssen, Bächen und Kanälen der Stadt. Das zunächst als „altes Herkommen“ geduldete Nacktbaden in der Nähe der traditionellen Waschplätze wurde 1707 verboten – zumindest tagsüber. (d) Fließende Gewässer blieben dennoch beliebte Badestellen der einfachen Bevölkerung, da sie kostenlos waren und stets frisches, „reines“ Badewasser garantierten.
Besondere Flussbadeanlagen, die den Gästen durch Umkleidekabinen, bewachte Garderoben, sanitäre Einrichtungen, Ruhebänke und Liegenwiesen Komfort und Sicherheit boten, entstanden erst mit dem Vordringen der Aufklärung. Hüttenbäder und – ab dem 19. Jahrhundert – auch Flussschwimmbäder erfreuten sich zunehmender Beliebtheit – aber nur in den Sommermonaten! Ein vergleichbares öffentliches Badeangebot für die Wintermonate wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts eingerichtet.