Der frühe Tod eines großen Meisters: Georg Petel starb im April 1634
Die Augsburger Moritzkirche vereint Vergangenheit und Gegenwart auf besondere Art und Weise. Dank der Neugestaltung des im Kern gut 700 Jahre alten Kirchenraumes durch den Londoner Architekten John Pawson (2009–2013) wirkt der lichtdurchflutete Bau heute bemerkenswert modern. Im Zentrum von Pawsons Raum- und Lichtkonzept aber steht eine Skulptur, die vor fast 400 Jahren geschaffen wurde: Georg Petel hat die ausdrucksstarke Figur des „Christus Salvator“ zwischen 1630 und 1632 aus Lindenholz geschnitzt. Es war eines der letzten großen Werke dieses Ausnahmekünstlers an der Schwelle vom Früh- zum Hochbarock. Viel ist über das Œuvre Georg Petels bekannt, die näheren Umstände seines frühen Todes hingegen lagen bisher weitgehend im Dunklen. Ein Fund im Stadtarchiv bringt nun neue Erkenntnisse ans Licht.
Jugend, Lehre, Wanderjahre
Georg Petel wurde gegen Ende des Jahres 1601 oder Anfang 1602 in Weilheim in Oberbayern geboren. Die im Kulturland des „Pfaffenwinkel“ und an zentralen Handelsrouten günstig gelegene Kleinstadt galt als Kunstzentrum, auch Petels Vater Clemens war hier als Bildhauer tätig. In Weilheim genoss der junge Petel die erste Ausbildung. Besondere Prägung aber erhielt Petels Kunststil während seiner Wanderjahre. Nach einem Aufenthalt in München reiste er in die Niederlande und nach Paris, dem schloss sich ein längerer Italienaufenthalt an. So reifte der Stil des jungen Künstlers sowohl in der Auseinandersetzung mit dem Werk zeitgenössischer Meister wie Rubens und Bernini, als auch durch sein intensives Studium der Kunst der Antike.
Ansässigmachung in Augsburg
Mit seiner Rückkehr nach Deutschland fasste Petel den Entschluss, sich in Augsburg niederzulassen. Die anfängliche Skepsis seiner Berufskollegen angesichts der drohenden Konkurrenz als Reaktion auf sein erstes Gesuch an den Stadtrat vom April 1625 war schnell vom Tisch: Im Juni verheiratete er sich überaus vorteilhaft mit der vermögenden Gastwirtstochter Regina Schreiber, deren Vater der Kaufleutestube angehörte und den renommierten „Lindenwirt“ am Weinmarkt führte. Schon der Reisende Michel de Montaigne rühmte 1580 diese Gaststätte in seinen Reisetagebüchern für ihre außerordentliche Sauberkeit. Wie die Steuerbücher ausweisen, lebten die Petels fortan in einem an die Katharinengasse angrenzenden Rückgebäude des stattlichen Anwesens (heute Gebäudekomplex des Hotels „Maximilian’s“).
Das Rätsel um Petels frühen Tod
Die Zahl der überlieferten Werke aus Petels Augsburger Jahren ist erstaunlich, befand sich doch das Land zunehmend in einer von konfessionellen, politischen und letztlich kriegerischen Auseinandersetzungen geprägten Schieflage. Die ökonomischen und sozialen Folgen der Krise spürte die Augsburger Bevölkerung bald am eigenen Leib. 1627/28 wütete die Pest in der Stadt, 1632 wurde Augsburg durch die Schweden belagert und besetzt, im Sommer 1633 und nach der Rückeroberung durch kaiserliche Truppen im Winter 1634/35 brach die Seuche erneut aus. Die ältere Forschung nahm an, dass auch Georg Petel der verheerenden Epidemie im Winter 1634/35 zum Opfer fiel, ohne jedoch einen genauen Zeitraum zu nennen. Annette Kranz gelang es 2007 über die Einträge der Steuerbücher und die Protokolle des städtischen Oberpflegamts zur Versorgung der unmündigen Kinder Petels den Todeszeitpunkt auf die Zeit zwischen November 1633 und Ende Mai 1634 einzugrenzen. In bisher unverzeichneten Akten des Oberpflegamts konnten nun unter anderen Dokumenten auch monatsweise geführte Listen verstorbener Bürger, deren Witwen und Kinder zu Nachlass- und Pflegschaftsregelungen verpflichtet waren, aufgefunden werden. Unter den 19 Toten der im April 1634 findet sich auch „Jörg Böttell ins Lindenwirthoff“. Das Dokument belegt damit erstmals den genauen Todesmonat Petels. Er starb also in den Wirren der von Hunger, Krankheit und Unterdrückung der katholischen Bürger begleiteten schwedischen Besatzung. Sein Werk aber bleibt auch 390 Jahre nach dessen Tod unvergessen.