Zum Schicksal des Augsburgers Dr. Otto Hett
Niemanden vergessen!
Aus Anlass des Tags des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus 2024
Im Zuge des Vormarsches der Roten Armee wurde das KZ Majdanek im Sommer 1944 geräumt. Die verbliebenen Häftlinge des Todeslagers schickte die SS auf einen „Evakuierungsmarsch“ Richtung Ausschwitz.
Unter ihnen war auch der 31-jährige Otto Hett. Er sollte Ausschwitz nicht erreichen und auch die Befreiung des Konzentrationslagers am 27.01. 1945 nicht miterleben. Im Juli 1944 wurde er bei der „Evakuierung“ des KZs Majdanek von der SS erschossen.
Für seine Familie blieb sein Schicksal zunächst ungeklärt: Auf dem Fragebogen der Militärregierung vermerkt sein Vater Otto Hett sen., sein Sohn sei im KZ vermisst.
Wie hatte das Leben des jungen Augsburgers Otto Hett diesen Verlauf nehmen können?
Otto Hett sen. (geb. 09.04.1885) und seine Ehefrau Maria (geb. 20.06.1885), beide gebürtige Münchner, lebten ab dem Frühjahr 1910 in Augsburg. Otto Hett sen. war Diplomingenieur in städtischen Diensten. Als Oberbauamtmann, Oberbaurat und späterer Baudirektor ermöglichte er seiner Familie ein angenehmes Leben.
Drei Jahre nach der Heirat erwartete das Ehepaar erstmals Nachwuchs. Die Zwillinge Otto und Christian kamen am 05.04.1913 zur Welt und wurden nach römisch-katholischem Ritus getauft. Christian Hett verstarb jedoch noch am Tag der Geburt.
Otto Hett besuchte zunächst die Volksschule St. Georg und bestand 1932 am Realgymnasium Augsburg (heute Peutinger-Gymnasium) sein Abitur.
Nach seinem Schulabschluss in Augsburg schrieb sich Otto Hett an der medizinischen Fakultät der Universität Würzburg ein. Er schloss sein Studium in Würzburg mit der Promotion ab. Die Promotionsurkunde wurde ihm aus Willkür jedoch nicht ausgehändigt.
Sein Doktorvater Edgar Wöhlisch, seit Mai 1937 Mitglied der NSDAP, hatte ihn 1938 wiederholt bei den Behörden denunziert: Hett habe sich das Ehrenzeichen der Hitlerjugend erschwindelt, plane sich nach Russland abzusetzen, unterhalte verdächtige Auslandsbeziehungen und äußere sich gegen das NS-Regime.
Bei einer darauffolgenden Hausdurchsuchung fand sich tatsächlich „belastendes“ Material: Nachdem ihm die Doktorwürde vorenthalten wurde, was ihm die Ausübung seines Berufs quasi unmöglich machte, hatte sich der praktizierende Katholik Hett in einem Schreiben unter anderem an den damaligen Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli (später Papst Pius XII.) gewandt und auf das schwere Schicksal der deutschen Katholiken im Spannungsfeld zwischen religiöser Haltung und politischer Realität aufmerksam gemacht.
Ein Sondergericht in Bamberg verurteilte Otto Hett am 05.06.1938 auf Grundlage des „Heimtückegesetzes“, welches alle kritischen Äußerungen gegen das NS-Regime unter Strafte stellte. Nach Verbüßen seiner 14-monatigen Haftstrafe wurde Otto Hett jedoch nicht entlassen, sondern zunächst in das KZ Dachau, dann am 08.12.1941 in das KZ Lublin-Majdanek überstellt.
Als ausgebildeter Mediziner arbeitete Otto Hett als Häftlingsarzt, der sich für seine Mitgefangenen bei den SS-Aufsehern um Erleichterungen bei den Haftbedingungen bemühte. Zeitzeugen berichten über sein Wirken und seinen Charakter.
Die Gedenkstätte des KZ Majdanek ehrt Otto Hett mit einer Gedenktafel.
Auch die Universität Würzburg bekannte sich 2011 zu ihrer Verantwortung.
Die Stadt Augsburg erinnert an diesen mutigen Sohn der Stadt und gedenkt aller Opfer des NS-Regimes.