Erziehung ist...
Die Kampagne
Die Situation und die Anforderungen an Familie sind vielfältig. Erziehung ist Kinder stark machen: Um ihr Leben zu bestimmen, um Herausforderungen zu begegnen, um Beziehungen einzugehen, um Rückschläge zu verkraften, um andere Meinungen zu akzeptieren und vieles mehr.
Zunächst bedeutet das, Kinder mit allem Lebensnotwendigen zu versorgen. Sie brauchen Nahrung und Kleidung, Geborgenheit und die Möglichkeit, die Welt zu erkunden. Zur Erziehung gehört aber auch die aktive Auseinandersetzung, um Mädchen und Jungen den Erwerb von Wissen und Können zu ermöglichen. Kinder brauchen auf ihrem Lebensweg zuverlässige Begleiter, um ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden.
Durch einen Klick auf die jeweilige Botschaft erscheint ein kurzer Videoclip. Die Erziehungskampagne wurde initiiert vom bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales.
Liebe schenken
Einem Kind Liebe zu schenken bedeutet, es anzunehmen, wie es ist und ihm das auch zu zeigen. Kinder und Jugendliche brauchen dieses Gefühl der Geborgenheit, um Selbstvertrauen zu entwickeln und angstfrei ihre Stärken und Schwächen kennen zu lernen. Doch manchmal fällt es Müttern oder Vätern schwer, ihre Liebe zu zeigen. Wie funktioniert das also mit dem Liebe schenken?
- Die unmittelbarste Form, Zuneigung zu schenken, ist körperliche Nähe, Wärme und Berührung. Ob eine Umarmung, zärtliches Rückenkraulen, ein netter Blickkontakt, zartes Anstupsen oder Schulterklopfen: Jedes Kind weiß sofort, was das bedeutet.
- Je älter die Kinder werden, umso wichtiger werden andere Formen der Zuwendung. Teenager – Jungen wie Mädchen – lassen sich manchmal gerne in den Arm nehmen, auch wenn sie sich mit der Zeit zum Küssen andere suchen.
- Zeit zu haben, Interesse zu zeigen und zu trösten, beweist einem Kind, wie lieb es seine Eltern haben. Erzählen Sie Ihrem Nachwuchs, dass Sie ihn gern haben und dass Sie stolz auf ihn sind, unabhängig von besonderen Leistungen.
- Liebe zu schenken bedeutet aber nicht, dass Erwachsene nicht auch ein-mal ihre Ruhe einfordern oder den Kindern etwas verbieten dürfen.
Freiraum geben
Kinder brauchen Räume, die sie alleine gestalten dürfen. Ab etwa einem Jahr gewinnen sie immer mehr Freiräume. Sie lernen, alleine zu essen, alleine auf die Toilette zu gehen, längere Zeit getrennt von den Eltern zu sein, mit eigenem Geld umzugehen und vieles mehr. Freiräume sind wichtig, um selbstständig und verantwortungsvoll das Leben zu meistern. Damit Eltern die Entscheidung zwischen Loslassen und Behüten nicht zu schwer fällt, sollten sie an Folgendes denken:
- Freiräume müssen ausgetestet werden. Mädchen und Jungen, die in den Familienalltag einbezogen werden, lernen eine Menge für ihr späteres Leben. Wer immer mal Mama oder Papa über die Schulter schauen durfte, kann bald auch alleine einen Stadtplan lesen oder sein Fahrrad reparieren.
- Kinder lernen schrittweise mit Freiheiten umzugehen. Können Erstklässler besser ein wöchentlich ausbezahltes kleines Taschengeld handhaben, kommen Jugendliche gut mit einem eigenen Konto zurecht, auf das die Eltern monatlich das Taschengeld und möglicherweise sogar eine Pauschale für Schulsachen und Kleidung überweisen.
- Hilfestellungen geben Kindern Sicherheit beim Austesten neuer Freiräume. Mit einem Handy oder einer Telefonkarte für alle Fälle ausgestattet, ist die erste Fahrt ganz alleine zur Freundin im anderen Stadtteil nicht ganz so bedrohlich für die Elfjährige - und weniger nervenzehrend für die Eltern.
- In Geschmacksfragen sind sich die verschiedenen Generationen nicht immer einig. Ob es um Hobbys, Frisurentrends oder Freunde geht, sollten Kinder grundsätzlich selber entscheiden dürfen
- solange elterliche Regeln nicht überschritten werden. Toleranz hat dann ihre Grenzen, wenn es um das Wohl des Nachwuchses geht. Wenn Heranwachsende mit dem Rauchen anfangen, trägt das sicherlich nicht zu ihrer Entwicklung bei.
- In der Pubertät verlangen viele Jugendliche plötzlich große Freiräume, sogar die bislang Sanftmütigen werden zu Rebellen gegen elterliche Vorgaben. Damit sie nicht den Boden unter den Füßen verlieren, brauchen Mädchen und Jungen in dieser Zeit die Erfahrung, dass es keine Freiheit ohne Grenzen gibt. Andererseits sollten die Eltern ihnen dabei helfen, eigene Wege zu gehen und erwachsen zu werden.
Mut machen
Für alles Neue, das sie lernen und für die Pflichten, die sie Schritt für Schritt übernehmen, brauchen Heranwachsende eine Menge Mut und Selbstvertrauen. Dann lernen sie, Verantwortung zu tragen und sich durchzusetzen und lassen sich nicht so schnell von anderen verunsichern. Damit sie Mut und Selbstvertrauen entwickeln, brauchen Mädchen und Jungen zweierlei:
- Zufriedenheit mit dem, was sie geschafft haben, und Anerkennung ihrer Leistungen durch andere. Wie können Eltern ihre Kinder ermutigen? Kinder wollen als Person geliebt werden und nicht nur für ihre Leistungen. Genauso schnell, wie sie sich ermutigen lassen, lassen sie sich auch verunsichern. Daher müssen Erwachsene achtsam mit ihnen umgehen.
- Wer Mut fassen will, braucht Erfolgserlebnisse. Wenn Kinder etwas ausprobieren und dabei Fehler machen dürfen, nehmen sie auch Schrammen und andere kleine Unfälle in Kauf. Durch die Übernahme von kleinen Aufgaben und Verantwortung werden Kinder ermutigt.
- Kinder brauchen Lob. Nicht immer verdient nur die Leistung Anerkennung, manchmal alleine schon die Anstrengung, etwas zu erreichen. Lob sollte aber genau dosiert werden, sonst ist es nichts mehr wert, wenn es einen Erfolg zu würdigen gilt.
- Kleine Hilfestellungen beugen unnötigem Kinderfrust vor. Schon beim Kauf können Sie beispielsweise Kleidung auswählen, die sich auch Kleine schon selber anziehen können.
- Auch hier gilt: Erwachsene, die Kindern Fehler zugestehen, dürfen selber auch mal etwas falsch machen.
Streiten dürfen
Streit gibt es in jeder Familie. Dabei darf es ruhig mal etwas lauter zugehen. Sich behaupten, "nein" sagen, Spannungen aushalten, die Bedürfnisse anderer erkennen, überzeugen, nachgeben, Kompromisse finden und sich wieder vertragen: Beim Streiten üben Kinder wichtige soziale Fähigkeiten. Streiten will gelernt sein. Damit ein Konflikt wieder gelöst werden kann und nicht noch mehr Spannungen entstehen, sollten einige Regeln beachtet werden
- Kein Thema ist grundsätzlich verboten. Kinder dürfen auch negative Gefühle, wie Abneigung oder Wut, zeigen, ohne dafür bestraft zu werden.
- Erwachsene sitzen bei einem Streit am längeren Hebel. Daher sollen sie Kinder nicht durch Worte oder Formen von Gewalt verletzen, sondern sie mit ihrem Anliegen ernst nehmen.
- Solange man dem anderen nicht böse ist, dürfen auch nach einem Streit zwei Meinungen nebeneinander stehen. Dabei lernen Kinder und Erwachsene, Toleranz zu üben.
- Kinder dürfen miteinander zanken, ohne dass gleich Erwachsene einschreiten. Wenn sie allerdings Schwächeren gegenüber unfair werden, sollten sie liebevoll, aber deutlich, zur Rücksichtnahme aufgefordert werden.
- Erwachsene sind wichtige Vorbilder. Wenn Kinder miterleben, wie ihre Eltern auf respektvolle Weise Auseinandersetzungen führen, lernen sie davon. Kinder leiden unter schwelenden Konflikten, gewalttätigen Auseinandersetzungen oder verletzenden Vorwürfen in der Familie. Je nach Alter der Kinder können ihnen Erwachsene auch erklären, um was es bei einem Streit geht, ohne sie auf eine Seite zu ziehen.
- Genauso wichtig, wie streiten zu dürfen, ist es auch, sich wieder zu vertragen. Bei einem festgefahrenen Streit können Eltern ihren Kindern mit Rat zur Seite stehen. Bei Auseinandersetzungen in der Familie sollte man sich vor dem Schlafengehen wieder versöhnen.
Gefühle zeigen
Liebe und Freude, Trauer, Schmerz und Wut - Gefühle gehören zum Leben in der Familie dazu. Kinder zeigen ihre Gefühle ganz unterschiedlich. Während die einen ihre Zuneigung durch Ankuscheln unter Beweis stellen, malen andere vielleicht lieber ein Bild für einen geliebten Menschen. Für Kinder ist es in ihrer Entwicklung wichtig, Gefühle als solche zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Dabei gilt:
- Kinder dürfen Gefühle zeigen, positive wie negative. Und jedes Kind darf das auf seine Weise tun, ob laut oder leise. Die Zeiten, in denen Jungen nicht weinen und Mädchen nicht laut herumtoben durften, sind vorbei.
- Manchmal finden Erwachsene die Gefühlsausbrüche von Kindern unangebracht. Die Kleinen dürfen dann ruhig um Selbstbeherrschung gebeten werden. Sie sollen aber wissen, dass nicht ihre Gefühle, sondern ihr Verhalten unangemessen ist.
- Kinder wollen mit ihren Gefühlen ernst genommen werden. Bei kleineren oder größeren Katastrophen stehen sie nicht so über den Dingen wie manche Erwachsene. Darauf reagiert man am besten mit Gelassenheit.
- Manche Mädchen und Jungen behalten lieber für sich, was sie bewegt. Sind sie besonders bedrückt oder still, sollten die Eltern die Ursache suchen. Auch eher zurückhaltenden Kindern tut es manchmal gut, ihr Herz auszuschütten.
- Auch in der Gefühlswelt lernen die Kleinen von den Großen. Daher dürfen auch Eltern ihren Kindern gegenüber Gefühle zeigen und altersgerecht erklären. Vormachen lassen sie sich ohnehin nichts. Beängstigend ist es für Kinder hingegen, wenn sie spüren, dass etwas in der Luft liegt, und die Erwachsenen sie nicht einweihen. Eltern sind genauso wenig wie Kinder vor unangebrachten Zornesausbrüchen gefeit. Dann ist es wichtig, sich hinterher zu entschuldigen. Ein zugegebener Fehler ist keine Schwäche!
Zuhören können
Zuhören heißt, jemandem Aufmerksamkeit schenken und auf seine Anliegen eingehen. Heranwachsende, die täglich neue Erfahrungen machen und sich in der Welt zurecht finden müssen, brauchen das offene Ohr von Erwachsenen ganz besonders. In jeder Familie sollte es im Alltag regelmäßig Gelegenheiten für Gespräche geben, sei es eine Familienkonferenz oder Rituale wie das gemeinsame Abendessen oder das Zu-Bett-Bringen der Kinder. Zuhören kann schwierig sein. Dabei können folgende Dinge helfen:
- Manchmal folgen am Satzende Informationen, mit denen man am Anfang gar nicht gerechnet hat. Daher: Andere ausreden lassen
- Vorschnelle Kommentare oder Ratschläge helfen nicht weiter. Kinder fühlen sich ernster genommen, wenn die Eltern mit ihnen gemeinsam Lösungen erarbeiten.
- Um Missverständnisse gar nicht erst entstehen zu lassen, sollte man sich gegenseitig vergewissern, ob man sich verstanden hat.
- Ein gutes Gespräch verträgt wenig Ablenkung. Also, Fernseher abschalten und das Telefon ruhig klingeln lassen!
- Wenn Kinder allzu ausführlich von ihren Erlebnissen berichten, dürfen sie in ihrem Redefluss auch gebremst werden. Kinder, die eher ruhig sind, sollten zum Reden ermutigt werden, vor allem wenn sie schweigsamer sind als gewöhnlich.
Grenzen setzen
Grenzen zu setzen und konsequent einzuhalten, ist für viele Eltern die wichtigste Aufgabe, aber auch die größte Herausforderung in der Erziehung. Kinder und Jugendliche sind geborene Meister, wenn es darum geht, die Geduld und Konsequenz der Eltern zu prüfen. Kinder brauchen Grenzen aus zweierlei Gründen: Zum einen zum Schutz vor Gefahren im und außer Haus. Zum anderen geben sinnvolle und übersichtliche Regelungen dem Kind Sicherheit. Manchmal fällt es Erwachsenen schwer, gegen den Willen von Kindern zu handeln. Doch für Eltern und Kinder ist es auf lange Sicht einfacher, wenn sie wissen, wo ihre Grenzen sind. Auch dabei sollten bestimmte Spielregeln gelten:
- Grenzen müssen klar festgelegt werden. Erwachsene sollten sich zunächst genau überlegen, warum sie eine bestimmte Regel aufstellen. Ältere Kinder verstehen ein Gebot oder Verbot besser, wenn Erwachsene ihnen die Gründe erklären.
- Wer Grenzen festlegt, sollte selber auch danach leben. Das bedeutet nicht, dass Mama oder Papa nach dem "Sandmann" mit den Kleinen zu Bett gehen müssen. Aber beim regelmäßigen Zähneputzen sind sie das beste Vorbild.
- Grenzen zu setzen und dann nicht einzuhalten, macht keinen Sinn. Konsequenz zeigt Zuverlässigkeit und gibt Kindern das Gefühl, ernst genommen zu werden.
- Überschreitet ein Kind festgelegte Grenzen, sollten Erwachsene eindeutig und einheitlich reagieren. Kinder wissen, woran sie sind, wenn die Regeln von Mutter, Vater und anderen an der Erziehung Beteiligten in wesentlichen Punkten ähnlich sind, auch wenn sie auf unterschiedliche Art und Weise erziehen. Manchmal genügt ein eindeutiges "Nein" oder eine Ermahnung nicht. Sind konsequente Maßnahmen nötig, dann sollten sie in direktem Zusammenhang zur Situation stehen. Kinder begreifen "logische Strafen" meist gut.
- Auch Eltern müssen sich in der Erziehung an Grenzen halten. Tabu sind alle Formen der Gewalt. Dazu gehören nicht nur Schläge, sondern auch seelische Gewalt wie das Verweigern liebevoller Zuwendung.
- Keine Regel ohne Ausnahme. Eine Regel aufzugeben, weil sie nicht sinnvoll war, oder auf eine veränderte Situation anzupassen, bedeutet nicht das Ende der Erziehung. Kinder und Jugendliche verlieren nicht gleich den Respekt vor elterlichen Grenzen, wenn sie einmal länger aufbleiben dürfen.
Zeit haben
Spielen, Reden, Lesen, die Welt entdecken : Kinder lernen bei gemeinsamen Aktivitäten in der Familie eine Menge für die Zukunft. Und gemeinsam verbrachte Zeit festigt die Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Viele Kinder und Jugendliche wünschen sich, dass ihre Eltern mehr Zeit mit ihnen verbringen. So kann es gelingen:
- Zeit zu haben, ist nicht unbedingt mit teuren Aktivitäten verbunden. Ein Schwimmbadbesuch, ein Ausflug in den Tiergarten oder eine Radtour mit der ganzen Familie stehen bei Kindern besonders hoch im Kurs. Gemeinsame Hobbys bieten eine gute Gelegenheit, die Freizeit zusammen zu verbringen.
- Gerade im Alltag brauchen Kinder Zeit und Aufmerksamkeit. Dabei lässt sich das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Gemeinsame Hausarbeit kann Spaß machen, wenn sie nicht als lästige Pflichtübung verkauft wird. Manche Familien schalten "Zeitfresser", wie den Fernseher oder die Playstation, für eine Weile ganz aus. Die frei gewordenen Stunden lassen sich mit vielen guten Ideen füllen.
- Eltern sollten ihren Kindern vor allem dann Zuwendung schenken, wenn sie sie brauchen, wenn die Hausaufgaben mal wieder besonders schwer sind oder das Fahrrad seinen Dienst versagt. Rituale wie die Gute-Nacht- Geschichte vor dem Einschlafen sind vielleicht etwas zeitaufwändig, aber für Kinder sehr wichtig.
- Eltern, die wegen beruflicher Verpflichtungen weniger Zeit für die Familie haben, müssen kein schlechtes Gewissen haben. Entscheidend ist es, die verfügbaren Stunden gemeinsam und sinnvoll zu nutzen. Wenn die Zeit knapp ist, dürfen zwischendurch auch gerne die Großeltern, die Tante oder Freunde einspringen.