„Kinder haben ein Recht auf professionelle öffentliche Erziehung“
Professorin Dr. Eva Matthes plädiert bei der Auftaktveranstaltung zum Fachforum „Kinderrechte“ am 17. November 2022 für die nötige Anerkennung und Bedeutsamkeit des Erzieherberufs und setzt einen Entwurf eines Augsburger Manifests für Kinderrechte auf.
Vom Recht auf einen Namen bis zum Recht auf Spiel und Freizeit: Mit bunten Bildern und Collagen machen die Mädchen und Jungen des städtischen Zentralhortes Brixener Straße auf die zentralen Kinderrechte zu Beginn des ersten Augsburger Fachforums „Kinderrechte“ aufmerksam. Sie sind es auch, die durch die Veranstaltung am Vormittag und Nachmittag eloquent und lebendig moderieren.
Nach der Einführung durch die Kita-Gruppe beleuchtet Dr. Silke Antoni vom Lehrstuhl für Pädagogik der Universität Augsburg den historischen Rückblick von der Entstehungsgeschichte der UN-Kinderrechtskonvention bis zum Exkurs zum Kinderrechtsansatz in der Kita nach Jörg Maywald.
Es begann alles 1948 mit der Verabschiedung der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen“. Antoni spricht von einer Zäsur in der Geschichte aufgrund der Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und geht dabei kurz auf den Artikel 1 ein.
Geschichte als Zäsur und Auftakt zur Verabschiedung von Kinderrechten
Und leitet dann zur UN-Kinderrechtskonvention über, 1979 begonnen mit dem Internationalen Tag des Kindes als Anlass, eine Interessensgruppe zu gründen. Sie bildete sich über alle Staaten hinweg. Verabschiedet wurden die Kinderrechte schließlich 1989, am 02.09.1990 sind sie in Kraft getreten, 20 Nationen mussten unterzeichnen. „Es ist die erfolgreichste UN-Konvention, weil fast alle UN-Staaten sie unterzeichnet, ratifiziert haben. Mit einer Ausnahme, der USA. Bill Clinton hatte keine Mehrheit damals im Senat erreicht. Die Absichtserklärung war da, zur Ratifizierung ist es bis heute nicht gekommen.“ In nationales Gesetz übergeführt, ratifiziert wurden sie dann am 06. März 1992 in Deutschland.
Mit dem Beitritt der Bundesrepublik gehen Pflichten einher, die Rechte der Kinder zu wahren und zu schützen und im Turnus von fünf Jahren Berichterstattung an den UN-Ausschuss und über Fortschritte zu berichten. Vor wenigen Wochen am 13. Oktober 2022 gab es den letzten Bericht. Fortschritte wie Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder, das Gute-Kita-Gesetz sowie das Bundesqualitätsgesetz waren Themen. Es wurde moniert, dass die Kinderrechte nicht in das deutsche Grundgesetz überführt worden, es gibt auch weiterhin einiges zu tun, wie die Forderung, die Kinderrechte ins Grundgesetz zu integrieren, betonte Dr. Silke Antoni noch als eine der zentralen Forderungen des UN-Ausschusses.
Prof. Dr. Eva Matthes stellt Entwurf eines Augsburger Manifestes für Kinderrechte vor – 18 alternative Kinderrechte im Fokus
Wie Kinderrechte zeitgemäß interpretiert werden, präsentiert im Anschluss die Lehrstuhlinhaberin Prof. Dr. Eva Matthes. Bewusst setzt sie das Recht „Kinder haben ein Recht auf Erziehung“ an erster Stelle, wie sie in ihren Eingangsworten erwähnt: „Kinder kommen nicht als fertige Menschen auf die Welt, sie benötigen Erwachsene, die sie unterstützen, die ihnen Wissen und Kenntnisse vermitteln, und vor allem Orientierungen, Haltungen, Einstellungen und Werte weitergeben.“
Als zweites Recht formuliert Matthes das Recht auf gewalt- und diskriminierungsfreie Erziehung: „Dazu gehört, den Namen in der anderen Sprache richtig auszusprechen oder auch, keinen Liebesentzug zu tolerieren. Auch über die Gestik, Mimik kann ein Sich-Abwenden und Diskriminierung stattfinden.“
Das dritte Recht, dass Kinder ein Recht auf professionelle öffentliche Erziehung haben, ist ihr ein großes Anliegen, das sie beherzt in der Tonlage und im Wortduktus betont: „Der Beruf der Erzieherin wird längst nicht in seiner Bedeutsamkeit erkannt. Wir haben einerseits die Akademisierung, anderseits die Schmalspurausbildung. Wenn die Qualität der Ausbildung bestehen würde, bräuchte es nicht unbedingt eine Akademisierung.
Professionelle Erziehung soll sich durch einen anderen Blick, andere Kompetenzen ausweisen als bei Eltern und vor allem den Horizont erweitern: „Ihr lernt neue Kinderbücher kennen, geht mal in den Zoo.“ Damit wendet sie sich bewusst auch an die anwesenden Kinder. Es gehe dabei um Erfahrungserweiterung, aber auch um Weltaneignung und Teilhabe an Kultur.
Beim letzten Recht, dass Kinder ein Recht auf digitale Freiräume haben, sei sie selber erschrocken, wenn Eltern während eines Gesprächs mit ihrem Kind auf das Smartphone schauen. „Kinder haben ein Recht, Eltern ohne Smartphone zu begegnen“, so ihr dringliches Plädoyer für einen achtsamen Medienkonsum sowie für ein bewusstes mediales Vorbild.
Vom Kinderrechte-Film bis zum Dank an einen engagierten Arbeitskreis: Kinderrechte brauchen Verbündete
Die Kinder der Kita Peter und Paul der Katholischen Jugendfürsorge haben einen Film über Kinderrechte gezeigt, der im Anschluss an das leidenschaftlich formulierte Manifest gezeigt wird.
Pädagogische Fachkräfte aus Freien Träger-Kitas sowie aus städtischen Einrichtungen haben zusammen mit den Fachberatungen des Amtes für Kindertagesbetreuung, Sevim Leventoglu und Claudia Loos, über Monate hinweg engagiert für das Rahmenprogramm zur Aktionswoche der Kinderrechte in Augsburg zusammengearbeitet. Beide Pädagoginnen bedanken sich bei allen Akteurinnen, aber auch bei Unicef Augsburg, für das beherzte Mitwirken und Gestalten mit den Kindern zur Kinderrechte-Aktionswoche.
Sevim Leventoglu bringt es auf den Punkt: „Kinderrechte brauchen Verbündete, brauchen Personen, die überzeugt, aber vor allem herzlich diskutieren. Vor allem brauchen sie Sie. Danke, dass Sie da waren!“
Marianne Frey