3.3 Wasser ist zum Waschen da
1872 errichtete die Augsburger Kammgarn-Spinnerei als eine der ersten Fabriken in Augsburg eine Badeanstalt für ihre Arbeiter. Die fabrikeigenen Wohlfahrtseinrichtungen wurden mehrfach staatlich ausgezeichnet. Ob diese Einrichtungen nur sozial-ökonomischen Erwägungen entsprangen oder in dem Gedanken Fürsorge für eine unmündige Arbeiterschaft tragen zu müssen, errichtet wurden, bleibt offen.
Noch bis in die 1950er Jahre war ein Badezimmer in der eigenen Wohnung keine Selbstverständlichkeit. Man wusch und badete in Zubern und Bottichen in der Küche oder Waschküche. In Städten existierten zudem seit dem Mittelalter private und öffentliche Badeanstalten. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es in Augsburg ein stetig wachsendes Angebot an Badeeinrichtungen: Flussbäder, Volksbrausebäder, Schul- und Fabrikbäder und als „Krönung“ ab 1903 das Stadtbad.
Mit dem 1836 bei Saverne im Elsaß geborenen Ernest Mehl - von 1866 bis 1904 Technischer Direktor bei der Augsburger Kammgarn-Spinnerei – betrat eine vom Christentum geprägte Unternehmer- persönlichkeit die Bühne in Augsburg. Seinem Wirken sind die auch nach heutigen Maßstäben vorbildlichen Sozialeinrichtungen des Unternehmens wesentlich zu verdanken: Fabrikbad, Wasch- und Badehaus, Werkswohnungen, Säuglings- und Kinderbewahranstalt, um nur einige zu nennen.
Die kolorierte Federzeichnung, die um 1872 entstand, zeigt Detailgrundrisse und Schnitte der Badeanstalt der Augsburger Kammgarn-Spinnerei. Deutlich zu erkennen sind die nach Geschlechtern getrennten Badebereiche. Für Arbeiterinnen gab 4 Badekabinen mit je 2 Wannen. Zudem war dort auch 1 geräumiges „Krankenbad“ untergebracht. Im Männerflügel tritt bei der Einteilung der Kabinen die fabrikinterne Hierarchie innerhalb der Arbeiterschicht deutlich zu Tage: 2 große Kabinen mit Einzelwannen waren den Beamten und Meistern vorbehalten. Für die einfachen Arbeiter gab es nur 4 Wannen in Doppelkabinen und 1 großes Becken für 5 Personen.
Jeder Fabrikarbeiter hatte die Möglichkeit in dieser Einrichtung einmal wöchentlich ein Wannenbad zu nehmen – kostenlos! Laut Badeordnung stand jedem Badenden pro Besuch ein Stück frische Kernseife, ein frisches Tuch zum Abtrocknen und ein sauberer Kamm zu. Ein strenger Badeplan schleuste täglich 120 der 1.000 Fabrikarbeiter durch die Badeanstalt.
1880 errichtete die Augsburger Kammgarn-Spinnerei in der Schäfflerbachstr. 30 ein weiteres Wasch- und Badehaus nach den Plänen des Architekten Jean Keller. Mit 15 Waschküchen, Mangzimmer, Trockenböden und 4 Kabinen mit Badewannen stand die neue Badeanstalt nicht nur den Fabrikarbeitern, sondern der gesamten Bevölkerung – ebenfalls kostenlos - offen. Genutzt wurde sie vor allem von den Familien der Werksangehörigen aus der nahen Arbeitersiedlung der Augsburger Kammgarn-Spinnerei, dem sogenannten „Kammgarnquartier“.
Ähnliches Engagement für die Körperhygiene ihrer Arbeiterschaft zeigten auch andere Augsburger Unternehmen und an der Wende zum 20. Jahrhundert endlich auch die Stadtverwaltung. Zunächst wurden in den von der Arbeiterschicht bevorzugten Stadtvierteln Volksbrausebäder errichtet – 1894 in der Wertachvorstadt (a) und 1900 in der Jakobervorstadt.
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