4.2 Die Wiederbelebung des Adam Bötticher
Am 18. Mai 1778 befasste sich der Augsburger Rat mit einem außergewöhnlichen Thema. Drei Tage zuvor hatte der Chirurg Georg Sebald Eckhardt Wiederbelebungsmaßnahmen an einem aus dem Fischgraben gezogenen Kind durchgeführt – und war damit erfolgreich.
Das Kind, der 11jährige Adam Bötticher, Sohn eines verarmten Goldschmieds, war um die Mittagszeit scheinbar leblos in Eckhardts Barbierstube am Barfüßer Tor gebracht worden. Zusammen mit seinem Gesellen entkleidete der Arzt den Buben, frottierte ihn am ganzen Körper und bedeckte ihn mit warmer Asche. Dann kam mehrmals die Günthersche Tabakklistier-Maschine zum Einsatz, die ein Kollege, der Wundarzt Dr. Jäck, extra vorbeibrachte und eigenhändig bediente. Der Chirurg reinigte währenddessen den Mund des Verunglückten mit Salz und Öl und bestrich Nase, Schläfe und Geschlechtsteile mit Kampferbranntwein. Außerdem wandte er die Herzdruckmassage an. Nach einer Stunde ließ sich der Puls wieder fühlen und die Körperstarre hatte sich gelöst. Als letzter Behandlungsschritt wurde dem Kind Tee mit Hirschhornlikör (Liquore cornu cervi) eingeflößt. Es folgte ein epileptischer Anfall – nach Aussagen der anwesenden Mutter litt das Kind schon länger an Epilepsie –, dann fiel der Knabe in einen tiefen Schlaf und wurde schließlich drei Stunden später nach Hause gebracht.
Für Behandlung, Wäsche, Spiritus, Kohlen und die „wegen der Zudringlichkeit der großen Menge Volks“ übel zugerichtete Barbierstube stellte Eckhardt 8 Gulden in Rechnung. Nachdem die Mutter völlig mittellos war, übernahm die Stadt die gesamten Kosten.
Die heute selbstverständliche Rettung von Menschen aus Lebensgefahr war bis ins späte 18. Jahrhundert noch eine Ausnahme. Auch in Augsburg schreckten die Bewohner vor einer ersten Hilfeleistung an scheinbar leblosen Personen lange zurück. Erst seit den 1750er Jahren befasste sich das dortige Medizinalkollegium mit dieser wichtigen Frage und erließ richtungsweisende Dekrete und Anordnungen. (a)
Zur gängigen Praxis bei der Wiederbelebung Ertrunkener zählte in dieser Zeit auch der Einsatz von Tabakklistieren, rektal wie oral. (b) Man schrieb Tabak grundsätzlich eine revitalisierende Wirkung zu. Der Augsburger Verleger Johann Andreas Maschenbauer veröffentlichte in seiner gelehrten Zeitung am 23. September 1777 einen Bericht über die neue „Tobakklistiermaschine“ des „geschickten Mechanikus Christoph Jacob Günther“ als Rettungsmittel bei plötzlich Verstorbenen, die zum Preis von 10 Gulden erhältlich war. Das neue Instrument bot im Gegensatz zu älteren Geräten erhebliche Vorteile. So hatten andere bisher gebaute Maschinen u. a. den Fehler, dass der Wind den Tabak zu lockerer Asche mache, die „zum Nachtheil des Patienten leicht glühend in den Leib steige“. Den Augsburger Wundarzt Johann Peter Jäck (um 1735–1794) konnte diese Produktbeschreibung der Zeitungsannonce offenbar überzeugen. So hatte Adam Bötticher der leihweise zur Verfügung gestellten Maschine vermutlich sein Leben zu verdanken.
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