Der Hochablass
Neben der Trinkwasserversorgung war es vor allem das Nutz- oder Treibwasser, das für Wirtschaft, Handwerk und Verkehr in der Stadt Augsburg von jeher unablässlich war und der Stadt zur Blüte verhalf. Bis in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts dienten ausschließlich Quellbäche (die sogenannten Brunnenbäche) zur Speisung von Mühlen und Stadtgräben. Danach entstanden Wassereinleitungs- und wehranlagen – zunächst am Lech (unterer Lechanstich oder sogenannter „Hoher Ablass“ und oberer Lechanstich am Lochbach bei Unterbergen), später an der Wertach (Wertachanstich und Wertachwehr, 1589).
Das im Laufe der Jahrhunderte entstandene, ausgeklügelte hydrotechnische System der Bäche, Kanäle, Hebe- und Brunnenwerke, der Eisenhämmer und Mühlen hing dabei vor allem an einer sensiblen „Hauptpulsader“ – dem Lechablass. Eine erste „Wuhr“ – ein Damm mit Stauwehr und Schleusen – entstand bereits im Jahr 1346 nach einem großen Hochwasser des Lechs, das die Augsburger Vorstadt überflutet und die Kanäle mit Kies verschüttet hatte. Das alte Wehr lag damals noch etwa 900 Meter oberhalb des jetzigen Bauwerks. 1552 wurde der Hochablass erstmals an seiner heutigen Stelle errichtet, wozu die Reichsstadt einen Vertrag mit dem angrenzenden Herzogtum Bayern schloss. Herzog Albrecht V. akzeptierte darin das neue, schräg durch das Flussbett verlaufende Augsburger Streichwehr, das nun bis ans bayerische Ufer geführt wurde. Die Reichsstadt verpflichtete sich im Gegenzug, die hier bestehende Floßfahrt der Bayern nicht zu behindern und eine Floßgasse einzurichten.
Von 1552 bis 1910 existierte dieses Wasserwehr in kaum veränderter Form, bestehend aus sogenannten Wehrkästen, die durch Pfähle im Flussgrund verankert, mit Steinen, Kies u. ä. gefüllt und durch schräge Bohlen auf der Oberseite abgedeckt waren. Zum Baukomplex gehörten auch ein Schleusenwerk mit Haupt- und Nebenschleusengebäude (sogenannter kleiner Ablass) sowie Haus und Stadel des Schleusenwächters. Die gesamte Anlage bestand bis zum 18. Jahrhundert ausschließlich aus Holz, wodurch sie im Falle eines Hochwassers oder bei Brandkatastrophen und Kriegseinwirkungen besonders anfällig war. So wurde die außerhalb ihres Territoriums liegende Wasserversorgung u. a. durch Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg (1634) und im Spanischen Erbfolgekrieg (1703) hart getroffen.
Nach einem Brandunglück im Jahr 1793 ersetzte ein Neubau aus Ziegeln mit Walmdach und Schleppgaupen das alte Hauptschleusengebäude. Ein Fundament aus Rammpfählen und gemauerten Seitenwänden sorgte für die Stabilität des nun auf zwei Schleusengassen reduzierten Ablasses. Der Betrieb der Schleusentore erfolgte allerdings noch über Treträder und Flaschenzüge.
Unzählig erscheinen auch die Meldungen von Hochwasser und Überschwemmungen in der Geschichte des Augsburger Hochablasses. So waren z. B. in den Jahren 1721, 1723 und 1729 Dammbrüche zu reparieren. Allein im Jahr 1737 gab es sechs Überschwemmungen, in den Jahren 1789, 1803, 1807, 1816 und 1824 weitere große Wehrbrüche. Die Augsburger Bevölkerung hatte also lange Zeit mit der Situation eines noch weitgehend unregulierten, Lauf und Wassermenge ständig verändernden Gebirgsflusses zu leben. In Erinnerung blieben dabei vor allem die großen Unglücksfälle wie die „Himmelfahrtsgieß“, bei der im August 1501 weite Teile Europas und auch die Region um Augsburg überschwemmt wurden. Neben dem spektakulären Ereignis der kompletten Zerstörung des alten Hochablasses im Jahr 1910 ist auch das Pfingsthochwasser von 1999, bei dem die Wertach den Ortsteil Pfersee überflutete, in aktueller Erinnerung geblieben.