Vor 70 Jahren: Die Augsburger Puppenkiste öffnet ihre Deckel
Die Ursprünge der Puppenspielkunst finden sich im alten Griechenland, in Ägypten, China und Myanmar. In Augsburg hingegen hat ein gebürtiger Magdeburger das Marionettenspiel bekannt gemacht: Walter Oehmichen. Nach Ausbildung, Studium und wechselnden Engagements hatte es Oehmichen 1931 als Schauspieler und Spielleiter an die Städtischen Bühnen nach Augsburg gezogen. Nach und nach entdeckte der Wahl-Augsburger seine Liebe zur Theaterbühne im Puppenformat. 1943 verzauberte die Familie Oehmichen mit ihrem selbstgebauten „Puppenschrein“ erstmals das Publikum – und die Augsburger reagierten begeistert. Doch die Zerstörungen der verheerenden Fliegerangriffe auf die Stadt machten im Februar 1944 alle Hoffnungen auf weitere Aufführungen zunichte – vorerst. Denn schon kurz nach Kriegsende begann Walter Oehmichen mit den Vorbereitungen zum Aufbau eines neuen Marionettentheaters. Oehmichens größtes Glück dürfte dabei seine Frau Rose und die beiden Töchter Ulla und Hannelore gewesen sein, die den Familienvater zeitlebens bei der Verwirklichung seines Lebenstraums unterstützten und „Oehmichens Marionettentheater“ zu einem echten Familienbetrieb machten.
Am 26. Februar 1948, genau vier Jahre nachdem die Altstadt Augsburgs ein Raub der Flammen geworden war, öffneten sich die Deckel der Puppenkiste im vom Krieg verschonten Heilig-Geist-Spital. Die Ausstattung der Bühne und Zuschauerränge war in den mageren Nachkriegszeiten spartanisch, doch schon bei der Premiere bildeten sich vor der „Kiste“ lange Schlangen. Der Besucheransturm ist seitdem ungebrochen.
Über die Stadtgrenzen hinaus wurden Oehmichens Marionetten durch das Fernsehen bekannt. Wenige Wochen nach Beginn des Regelbetriebes im deutschen Fernsehen flimmerte im Januar 1953 das Märchen „Peter und der Wolf“ über die s-w-Bildschirme der damals rund 5000 deutschen Rundfunkgeräte. Die Aufzeichnungen von Jim Kopf, Urmel und Bill Bo begleiteten seitdem Generationen von Kindern.
Es ist kaum verwunderlich, dass sich die bunte Vergangenheit der Augsburger Puppenkiste auch in den Beständen des Stadtarchivs niederschlägt. Während Programmhefte und Spielpläne ihren Weg in die Sammlungen zur Stadtgeschichte gefunden haben, geben Akten aus der städtischen Verwaltung unter anderem Einblicke in die Zusammenarbeit der Familie Oehmichen mit den städtischen Bühnen und die bauliche Entwicklung der Räumlichkeiten im Heilig-Geist-Spital. Zum 70jährigen Geburtstag gratuliert auch das Stadtarchiv Augsburg sehr herzlich und präsentiert einige besonders aussagekräftige Zeitdokumente aus den Anfangsjahren der Puppenkiste.