Entlarvt! Kaiser Maximilian I. und eine falsche Augsburger Heilige
Über eine zwielichtige Augsburger Persönlichkeit berichten zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Augsburger Chroniken und amtlichen Quellen: Anna Laminit (* um 1480, † 4.5.1518 Freiburg/Üechtland) hatte über Jahrzehnte die Bevölkerung als angebliche „Hungerheilige“ hinters Licht geführt. Dem Betrug machte die Schwester des Kaisers, Herzogin Kundigunde von Bayern, ein Ende. Die enttarnte Hochstaplerin wurde am 1. Janur 1514 durch kaiserlichen Befehl der Stadt verwiesen und 1518 in Freiburg hingerichtet.
Anna Laminit entstammte einer Augsburger Handerwerkerfamilie und einfachen Verhältnissen. Bereits 1495/96 war sie wegen ihres lockeren Lebenswandels und wegen Kuppelei auffällig geworden. Sie wurde an den Pranger gestellt, mit Ruten gezüchtigt und aus der Stadt verwiesen. Kontakte zu namhaften Persönlichkeiten verschafften ihr jedoch bereits 1497 neuerlich in Augsburg Zutritt, wo sie im Seelhaus beim Karmelitenkloster St. Anna Unterschlupf fand. Diese neue klerikale Umgebung hatte anscheinend nachhaltigen Einfluss auf Annas weiteres Verhalten. Sie beschloss, sich als „Hungerheilige“ zu etablieren, gab vor, nur an Sonntagen die Kommunion zu empfangen und einzig davon zu leben. Bald schon verbreitete sich der Ruf, dass durch ihre Gebete Anliegen, die man ihr vortrug, Erfüllung fänden. Sie kleidete sich nur noch in schwarze Bußgewänder und verbrachte Stunden in stiller Andacht in St. Anna.
Am 7. Juni 1503 erlebte Anna Laminit ihren bisher größten Triumph. Es war ihr gelungen, die in der Stadt weilende zweite Gemahlin Maximilians I., Bianca Maria Sforza (1472–1510), zu sprechen und sie zu einer Bußprozession der Stadtoberen zu bewegen – die vermutlich größte, die Augsburg je gesehen hat. Anna Laminit’s Berühmtheit steigerte sich danach noch mehr.
1508 bezog sie ein Haus bei Hl. Kreuz, was ihr auch Kontakte zum Kaiser einbrachte, denn die 1507 geweihte, neuerbaute Kirche galt als eine Art „Hofkirche“ für Maximilian I. und auch sein Wohnhaus lag ganz in der Nähe. Maximilian I. hatte 1508 die Laminit wohl persönlich aufgesucht und Jakob Fugger angewiesen, „der junkfrauen, so nichts isst“ und deren Magd schwarzes Tuch für Kleidung zu geben. Durch ihren Ruhm wuchs auch ihr Vermögen auf beachtliche 1.500–1.600 Gulden an.
Trotz nicht übermäßiger Schönheit scheint die „Hungerheilige“ faszinierend auf die Männerwelt gewirkt zu haben, so dass sich Anton Welser (1451–1518) auf ein Verhältnis mit ihr einließ. Ein Sohn entspross dieser Beziehung, der offenbar bei der Mutter verblieb, ohne dass dieser Umstand erstaunlicherweise zu Gerede Anlass gegeben hätte. Der Reichstag 1510 brachte Anna Laminit den Höhepunkt ihrer Popularität – die Besucherscharen, die sie entweder zu Hause oder in der Heilig-Kreuz-Kirche aufsuchten, waren riesig. 1511 nahm auch Martin Luther auf seiner Rückreise aus Rom mit ihr in Augsburg Kontakt auf.
Langsam begannen jedoch erste Schatten das leuchtende Bild der selbsternannten Heiligen zu trüben. Eine Reihe von ihr nahestehenden Frauen bemerkten, dass sie offenbar heimlich aß. Anna konnte den Verdacht des Betrugs zunächst von sich zu weisen. Die Gerüchte erreichten aber auch das Püttrichkloster in München, wo seit 1508 Kunigunde, Witwe Herzog Albrecht IV. von Bayern und Schwester Kaiser Maximilians I. ihren Lebensabend verbrachte. Um die Sache aufzuklären, lud Kunigunde die Betrügerin nach München ins Kloster ein, wo diese am 16. Oktober 1512 eintraf. Sie wurde in ein Gastzimmer des Klosters einquartiert, das man vorher mit Gucklöchern in der Tür und den Wänden präpariert hatte. Kaum war die Türe verschlossen, beobachtete man, wie die Laminit zwei Säckchen auspackte, die mit Eierzelten resp. mit Obst gefüllt waren und von ihr unter der Bettstatt versteckt wurden – der Schwindel war aufgeflogen.
Nach Augsburg zurückgekehrt, versuchte sie die Schmach zunächst zu vertuschen. Kunigunde forderte am 13. Oktober 1513 aber vom reichsstädtischen Rat eine gerechte Strafe. Am 30. Januar 1514 verfügte schließlich Kaiser Maximilian persönlich, Anna Laminit dürfe sich künftig weder ihm noch der Stadt bis auf eine Tagreise entfernt nähern.
Am 20. Februar 1514 verließ sie samt ihrem Vermögen stolz die Stadt Augsburg. Ihr Weg führte sie über Kempten nach Kaufbeuren und schließlich nach Freiburg, wo sie einen verwitweten Armbrustmacher ehelichte und sich als Kräuterfrau verdingte. Als die Zubereitung eines Kräutertranks einen Freiburger Säckler das Leben kostete und auch ein Betrug an Anton Welser aufflog – er hatte Alimente für seinen längst verstorbenen Sohn bezahlt und man versuchte ihm stattdessen, einen Sohn des Säcklers unterzuschieben – kam es zum Prozess. Das Urteil lautete auf Hexerei, worauf der Tod durch Verbrennen stand. Anna Laminit gestand auch die früheren Betrügereien unter Folter im Verlauf der Verhöre. Man wandelte das Urteil auf Fürsprache in Ertränken (Säcken) um, es wurde am 4. Mai 1518 an der Saane vollzogen.
Literatur:
Roth Friedrich: Die geistliche Betrügerin Anna Laminit von Augsburg (ca. 1480-1518) in Zeitschrift für Kirchengeschichte 43 (1903)
Christina v. Berlin: Anna Laminit, in: Maximilian I. – Kaiser – Ritter – Bürger zu Augsburg (unveröffentl. Katalogbeitrag, Erscheinungsdatum: Juni 2019).