„Welche bestmögliche Lösung kann ich für das Kind und das Team finden?“

Gelungene Auftaktveranstaltung zur MultiplikatorInnen-Weiterbildung für Fachkräfte zur ressourcenorientierten Begegnung mit herausforderndem Verhalten – eine kleine Nachlese zum 26. April 2022.
 

„Schön, dass Sie heute alle da sind, liebe Teilnehmende“

Unterstützung im Umgang mit herausfordernden Kindern, Elternbeschwerden in dem Kontext sowie die Gefahr des Kindeswohls: Rückmeldungen aus Augsburger Kitas von Freien Trägern, die den Leiter des Teams Freie Kitaträger im Amt für Kindertagesbetreuung, Gerhard Klug, dazu veranlasst haben, mit einem erprobten Praxiskonzept für mehr Handlungssicherheit zu sorgen. Bei seinem Grußwort zu Beginn der gleichnamigen Veranstaltung betont Gerhard Klug: „In Stresssituationen geht oft ein Kompetenzverlust einer professionellen Ausübung der Berufsrolle einher. Mit dem Trägerbeirat haben wir daher diese Themen besprochen und ein Multiplikatorenkonzept dazu entwickelt. Immer mit dem Blick der Ressourcenorientierung.“ Besonders erfreut zeigt er sich über die rege Teilnahme von 25 pädagogischen Fachkräften von 15 verschiedenen Trägern aus den Kitas und der Kindertagespflege. „Schön, dass Sie allesamt die Idee verfolgen, Expertise in einzelnen Häusern zu schaffen, aber auch Möglichkeiten zu finden, um die Ressource der MultiplikatorInnen möglichst vielen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen“, so Klug weiter in seinen einleitenden Worten.


Nachhaltige Entwicklung im Blick mit einem künftigen Kompetenznetzwerk

Mit leuchtenden Augen bringt es Martina Reutter, pädagogische Fachaufsicht und Fachberatung, auf den Punkt: „Ich freue mich, dass hier etwas wächst und ein Netzwerk entsteht“. Ihr selber gehe es um den Perspektivwechsel und die Weiterentwicklung ihrer eigenen Fachlichkeit in den Beratungsprozessen für die Region Süd. Ein künftiges Kompetenznetzwerk aus den geschulten MultiplikatorInnen als auch ein Fachtag im Herbst sind die nächsten Ziele der Implementierung der praxisnahen Expertise aus den insgesamt vier Weiterbildungstagen. Martina Reutter hat in der Corona-Zeit stets an die Realisierung der Weiterbildung in Präsenz geglaubt und freut sich über die rege Interaktion bei den Teilnehmenden. Die nachhaltige Verankerung und Implementierung in die Fläche der Kita-Landschaft sind ihr dabei ein Herzensanliegen.
 


Kompetenzorientiert, praxisnah und systematisch: Einführung in das Thema Beobachtung und in das Curriculum

20,5 Prozent der Kinder in Deutschland haben laut der jüngsten KiGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts von 2014 psychische Auffälligkeiten und tragen somit ein erhöhtes Risiko in sich. Jedes vierte Kind in einer Kita-Gruppe habe ein Risiko, so führt der renommierte Professor Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff in die Thematik ein. Bis 2020 hatte er eine Professur für Entwicklungspsychologie an der Evangelischen Hochschule Freiburg inne. Zusammen mit der Professorin Dr. Rieke Hoffer, die an der Hochschule Koblenz für Soziale Arbeit im Kontext von Kindheit, Jugend und Familie lehrt, führt er durch die viertägige Weiterbildung.

Schwerpunkt ist zuerst der Komplex Beobachtung. Prof. Dr. Rieke Hoffer betont dabei: „Dazu gehört die Begriffsklärung genauso wie biografische Selbstreflexion. Beobachtung ist eng mit Werten, Normen und eigenen biografischen Erfahrungen verknüpft. Dann geht es um Wahrnehmung, mit all den Beobachtungen und Verzerrungen, um Kinder genau beobachten zu können. Wir bieten keine Rezepte, aber eine Systematik, mit der Sie Handlungssicherheit gewinnen und individuell auf die Kinder eingehen können.“ Weiterhin ist ihr ein empathisches Begegnen mit dem Kind wichtig: „Mit unserer Empathie, unserem Ein- und Mitfühlen“.


Pädagogisches Handeln ohne Rezept-Vorlage

Prof. Klaus Fröhlich-Gildhoff plädiert für ein Agieren ohne Rezepte. „Das Problem ist, wir arbeiten alle im sozialen Bereich mit Menschen. Der Kern ist, jedes Problem und jede Situation stellt sich immer wieder neu her. Menschen sind keine Cola-Automaten. Im zwischenmenschlichen Zusammenhängen ist das nicht möglich. Grobe Muster, Einschätzungen können helfen, aber eine Garantie zum 1:1-Funktioieren haben Sie nicht. Trotzdem gibt es Wissen und Strategien, die man abbilden muss, deswegen gehen wir systematisch vor.“

Dabei hilft auch das sogenannte Prozessmodell, das die Zusammenhänge und Netzwerkverbindungen transparent darstellt.

Mit der Geschichte vom störenden Mädchen in sozialen Kontexten, das als Analogie zu Pippi Langstrumpf anspielt, werden die verschieden Betrachtungsweisen und pädagogischen Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Aber auch das divergierende Spannungsfeld, die Ambivalenzen, die das bekannte Verhalten der Protagonistin von Astrid Lindgrens populärster Romanfigur aufzeigt. Die pädagogischen Fachkräfte haben immer auch die Wahrnehmungs- und Handlungsalternative, sich eher defizitorientiert oder ressourcenorientiert auszurichten.


Mit unterschiedlichen Sichtweisen auf das Kind reagieren

Prof. Klaus Fröhlich-Gildhoff geht auf die beiden vorherrschenden Begrifflichkeiten ein, die unterschiedliche Sichtweisen auf das Kind bedingen. Verhaltensauffälligkeit versus herausforderndes Verhalten. Es folgen interaktive Reflexions- und Dialogangebote, die Gruppe nutzt die Impulse zum regen Austausch in Kleingruppen und im Plenum.


Fazit

Diese Sensibilisierung für das eigene Handeln, für das subjektive Wahrnehmen im Kontext der eigenen Werte- und Normenschemata und für das Öffnen von Handlungsalternativen sowie Anregungen zur Stärkung professionellen, souveränen Handelns - all das sind Bildungs- und Reflexionsmomente bei dieser gelungenen Auftaktveranstaltung.


Zusammenfassung von Marianne Frey