Die Reichsstadt und ihre Richter
Mit der Loslösung aus der Stadtherrschaft der Bischöfe konnte die Reichsstadt Augsburg ab dem 12. Jahrhundert durch kaiserliche und königliche Privilegien nicht nur ihre wirtschaftliche Stellung ausbauen, sondern auch eine eigenständige städtische Gerichtsbarkeit entwickeln. Bereits das älteste Stadtrecht (1156) differenzierte zwischen den Kompetenzen des bischöflichen Burggrafen (zuständig für die Niedergerichtsbarkeit), des Stadtvogts (dem das Hochgericht vorbehalten war) und der Stadtgemeinde. Seit der Stauferzeit gelangte die Stadtvogtei in königliche Hände. Dem rechtsprechenden Vogt wurden im 13. Jahrhundert bald auch Beisitzer („Urteilsratgeben“) aus der Einwohnerschaft zur Seite gestellt. Diese stammten aus den angesehenen Geschlechtern Augsburgs, dem sich entwickelnden reichsstädtischen Patriziat und städtischen Rat. Dem Rat wurden nun durch das Reichsoberhaupt schrittweise die Gerichtsrechte über die Stadt übertragen. Der Vogt, den die Bürger ab 1426 aus ihrer Mitte bestimmen durften, erfüllte zusehends nur noch eine repräsentative Rolle – das Stadtgericht war in die Kompetenz der Reichsstadt übergegangen. In dieser Zeit setzte sich das Gericht zunächst aus einem Oberrichter, zwei patrizischen Ratsherrn, zwei Ratherren aus dem Kreis der Kaufleute und acht Vertretern der Zünfte zusammen. In der Frühen Neuzeit wurde die Zahl der Gerichtsherren noch mehrfach verändert und erweitert.
Um die Mitte des 15. Jahrhunderts änderte sich nicht nur die Form der Rechtsprechung, sondern auch der dafür vorgesehene Ort. Die Gerichtsverhandlungen, die zuvor öffentlich auf dem Marktplatz (Fischmarkt) neben dem Perlach abgehalten wurden, fanden nun im Rathaus statt. In einer 1449/55 eigens eingerichteten Gerichtsstube fällte der Stadtvogt/Richter nach Befragung der Gerichtsherren und unter Ausschluss der Öffentlichkeit das Urteil. Pranger und Richtplatz zur Vollstreckung der Urteile befanden sich jedoch noch bis 1640 neben dem Rathaus. Vereinzelt sind dort Hinrichtungen unter großer Anteilnahme der Bevölkerung noch im 18. Jahrhundert belegt. (b) Erst im 17. Jahrhundert wurde ein Hinrichtungsort als aufgemauerte Anhöhe außerhalb der Stadtmauern errichtet. Er lag im Nordwesten Augsburgs an der Ausfallstraße im heutigen Stadtteil Kriegshaber. Noch heute erinnert die Ortsbezeichnung „Im Galgental“ an diesen schaurigen Ort. Die städtische Gerichtsbarkeit wurde mit den bayerischen Staatsreformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgehoben. Die letzte Hinrichtung in Augsburg ist für das Jahr 1822 überliefert (Georg Rauschmayr wegen Raubmord).
Nördlich der städtischen Hinrichtstatt, an der Wertach gelegen, befand sich auch jene Stelle zur Exekution der Todesurteile des Ertränkens, die noch in älteren historischen Stadtplänen vermerkt ist. (a) Hier ist ein weiteres Phänomen, das sogenannte „Rinnen“ bezeugt. (c) Aus abergläubischen Motiven – der Angst vor teuflischen Anfechtungen eines Selbstmörders oder der Wiederkehr seines Geistes – übergab der Scharfrichter die Körper von Suizidtoten in einem hölzernen Faß dem Fluß. Durch diesen Brauch, der seit dem 9. Jahrhundert auch in anderen, an Flüssen gelegenen Städten belegt ist, nahmen zwischen 1555 und 1678 mindestens 87 Tote ihren Weg aus Augsburg.